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Video-Interview

Selbstfürsorge für pädagogische Fachkräfte

Für sich selbst zu sorgen ist wichtig für die Gesundheit. Aber was ist Selbstfürsorge eigentlich und wie kann man sie betreiben? Welche Strategien gibt es insbesondere für pädagogische Fachkräfte? Wie kann das Team die einzelnen Personen unterstützen? Die Antworten auf diese und weitere Fragen gibt es im Interview mit Professor Fegert vom Universitätsklinikum Ulm.

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Was ist Selbstfürsorge?

Wie erkennt man den Bedarf an Selbstfürsorge und welche Konsequenzen ergeben sich, wenn man nicht auf die Selbstfürsorge achtet?

Welche Konsequenzen ergeben sich für Kindergartenkinder, wenn pädagogische Fachkräfte nicht auf ihre Selbstfürsorge achten?

Gibt es Selbstfürsorgestrategien, die besonders für pädagogische Fachkräfte geeignet sind?

Welche Rolle spielt das Team für die Selbstfürsorge?

Was ist Selbstfürsorge?

Selbstfürsorge ist der Umstand, dass man auch für sich selbst sorgt. Vor allem in den sozialen und helfenden Berufen besteht die Gefahr, dass man sich für andere so stark engagiert, dass man an sich selbst zuletzt denkt. Selbstfürsorge ist für pädagogische Fachkräfte jedoch extrem wichtig, da diese für Kinder eine Vorbildfunktion haben. Betreibt eine Fachkraft Selbstfürsorge, so lernen die Kinder dadurch, dass Erwachsene auch auf sich selbst achten und nicht jede unerträgliche Situation einfach hinnehmen.

Selbstfürsorge hängt mit der Fähigkeit der Selbstreflexion zusammen. Selbstfürsorge ist ein zentrales Prinzip. Dabei hängt sie stark von der Fähigkeit ab, in sich hineinzuschauen und sich zu fragen „Wie geht es mir in der Situation?“. Um die Antwort zu finden, sollte man auf die eigenen Gefühle hören und sich überlegen, was für einen selbst in einer Situation förderlich und was hinderlich ist.

Selbstfürsorge zu betreiben benötigt Zeit. Diese Zeit kann man sowohl alleine verbringen, beispielsweise wenn man mit dem Fahrrad nach Hause fährt, oder auch mit einer Kollegin oder einem Kollegen nach der Arbeit, wenn man den Tag zusammen bespricht. Beide Situationen bieten Zeit für Selbstfürsorge an.

Selbstfürsorge ist in allen Zeiten wichtig. In dramatischen Zeiten - z.B. in Zeiten von Krieg oder Pandemie - ist es jedoch besonders wichtig, dass man auf sich achtet. Man sollte schauen, dass man auch in diesen Zeiten seine Auszeit im Alltag bekommt, seine Interessen durchsetzt und nicht nur für andere Personen da ist. Eine gerechte Aushandlung der Aufgaben zwischen allen Parteien ist hierbei wichtig. Um seinen Ausgleich zu bekommen, könnte eine nützliche Fragestellung sein: „Was mache ich neben der beruflichen Arbeit und dem Haushalt für mich?“

Wie erkennt man den Bedarf an Selbstfürsorge und welche Konsequenzen ergeben sich, wenn man nicht auf die Selbstfürsorge achtet?

Herausfinden der wohltuenden Aktivitäten. Wichtig ist zu erkennen, welche Aktivitäten einem Spaß machen und welche nicht. Oft ist es so, dass wir wissen, was gut für uns ist, wir gönnen uns dies aber nicht. Daher kann es nützlich sein, diese Dinge zu verschriftlichen. Fragen, die man sich hierbei stellen kann, lauten: „Was sind meine Hobbys?“, „Was sind die Dinge, die mir wirklich guttun?“.

Regelmäßige Selbstreflexion. Erforderlich für das Erkennen des eigenen Bedarfs an Selbstfürsorge ist die Beobachtung, ob man genug wohltuende Aktivitäten macht oder nicht. Die tägliche oder wöchentliche Frage „Habe ich heute [diese Woche] schon etwas gemacht, was mir Spaß macht und mir guttut?“ kann helfen, den Bedarf an Selbstfürsorge zu erkennen.

Überschreiten die täglichen Anforderungen das Level der Selbstfürsorge, können die Stärken im Beruf nicht mehr umgesetzt werden. Die Stärke von Personen in sozialen und helfenden Berufen ist unter anderem die Offenheit gegenüber anderen Personen. Passiert es, dass man nicht genügend Selbstfürsorge betreibt, kann es sein, dass man anderen Personen gegenüber nicht mehr offen ist und die eigentliche Stärke im Beruf nicht mehr umgesetzt werden kann.

Welche Konsequenzen ergeben sich für Kindergartenkinder, wenn pädagogische Fachkräfte nicht auf ihre Selbstfürsorge achten?

Ohne Selbstfürsorge kann es zum Gefühl des „Ausgebranntseins“ kommen. Wenn pädagogische Fachkräfte auf Dauer durcharbeiten ohne für sich zu sorgen, können sie unter anderem Gefahr laufen, eine depressive Verstimmung zu entwickeln. Dies kann sich beispielsweise darin äußern, dass sie keinen Sinn mehr in der beruflichen Tätigkeit sehen oder auch keine innere Kraft mehr haben, diese auszuführen.

Erwartungen der Kinder können nicht mehr erfüllt werden. Pädagogische Fachkräfte stellen im Kindergartenalltag Ansprechpersonen für die Kinder dar. Achtet eine Fachkraft nicht auf seine (ihre) Selbstfürsorge, kann er (sie) die Präsenz, die er (sie) im Kindergarten normalerweise zeigt, nicht mehr erfüllen. Die Erwartungen, die die Kinder an die Fachkraft haben – z.B. das gemeinsame Spielen, die emotionale Reaktivität, … – können nicht mehr erfüllt werden und die Fachkraft kann keine gute(r) Ansprechpartner(in) mehr sein.

Hilfsangebote in Anspruch nehmen. Wenn man merkt, dass die Fragen „Wie geht es mir heute?“, „Gehe ich gerne in den Kindergarten?“ über einen längeren Zeitraum schwierig zu beantworten sind oder negativ beantwortet werden, sollte man sich überlegen, ob man Beratungs- oder Unterstützungsangebote in Anspruch nimmt. 

Fördern und unterstützen Sie die Kommunikation. Das Fragen nach zurückgebliebenen oder verstorbenen Angehörigen soll kein Tabu sein. Kinder sollen Raum dafür bekommen, Fragen zu stellen und über die Angehörigen zu erzählen. Die Aufgabe als pädagogische Fachkraft ist dann, diesen Raum zu bieten und das Gespräch kindgerecht zu leiten.

Gibt es Selbstfürsorgestrategien, die besonders für pädagogische Fachkräfte geeignet sind?

Es gibt keine besonderen Selbstfürsorgestrategien für einzelne Berufsgruppen. Aus dem klinischen Bereich wissen wir, dass es eine gute Strategie ist, gemeinsam über Fälle zu sprechen. Dieses Wissen kann auf den Kindergartenalltag übertragen werden. Hier bieten besonders Besprechungszeiten die Möglichkeit, sich über den Kindergartenalltag oder einzelne Kinder auszutauschen und auch positive wie negative Erlebnisse anzusprechen.

Tägliche Reflektion des Kindergartenalltags ist hilfreich. Fragen wie „Was hat mir heute Spaß gemacht?“, „Was war heute schwierig mit den Kindern?“ oder „War der Umgang heute mit den Eltern leicht oder schwierig?“ helfen, den Kindergartenalltag zu reflektieren und den Bedarf der Selbstfürsorge zu erkennen.

Das Team stellt eine wichtige Unterstützungsmöglichkeit dar. Kolleginnen und Kollegen stellen eine enorme Stütze dar, da sie das Verhalten der anderen pädagogischen Fachkräfte reflektieren können. Selbstfürsorge kann damit nicht nur durch die Eigeninitiative zu Stande kommen, sondern auch durch Rückmeldung von anderen.

Welche Rolle spielt das Team für die Selbstfürsorge?

Das Team ist ein wichtiger Faktor für die Selbstfürsorge. Ein gut funktionierendes und kollegiales Team bietet die Möglichkeit, dass man auch gegenseitig Selbstfürsorge übernimmt. Damit dies gelingt, muss gegenseitiger Respekt da sein. Dies bezieht sich nicht nur auf den Umgang miteinander, sondern auch auf organisatorische Aufgaben wie z.B. das gerechte Verteilen von geliebten und ungeliebten Aufgaben oder die Pünktlichkeit beim Arbeitsbeginn.

Nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Teams müssen sich pflegen. Dies geschieht durch Anstöße von außen oder durch gemeinsame Erlebnisse. Manchmal ist es dafür nötig die eigene Freizeit „zu opfern“, um Teamevents durchzuführen. Diese Events bringen aber oftmals positive Resultate, da sie nicht nur das Team „zusammenschweißen“, sondern auch eine Distanz zum Arbeitsalltag schaffen. Oft merkt man erst durch einen räumlichen und zeitlichen Abstand, welche Verbesserungen in der Einrichtung (strukturell oder räumlich) vorgenommen werden können. Insgesamt bringen Teamevents damit nicht nur Vorteile für die pädagogischen Fachkräfte, sondern auch für die Kindergartenkinder.

Sprechen Sie sich mit den Eltern / Bezugspersonen ab. Bleiben Sie mit den Eltern / Bezugspersonen im Austausch. Berichten Sie ihnen, dass das Kind danach gefragt hat und informieren Sie sich, wie zu Hause über das Thema gesprochen wird und berichten Sie, was Sie dem Kind erzählt haben. Versuchen Sie, sich an dieses Vorgehen anzupassen.

Vermitteln Sie Sicherheit. Sprechen Sie mit den Kindern vor allem auch darüber, warum es sich in Deutschland sicher fühlen kann. Nutzen Sie auch hier eine altersgerechte Sprache und fokussieren Sie sich auf Dinge, die dem Kind auch ganz individuell das Gefühl von Sicherheit geben können (z.B. Verkehrssicherheit, Meinungsfreiheit oder alltagsnahe Dinge wie dass es Anschnallgurte in jedem Auto gibt und Fahrradfahrer Helme tragen).

Zur Person

Prof. Dr. med. Jörg M. Fegert studierte Medizin, Gesang und Soziologie in Deutschland und Frankreich.  Im Jahr 1991 beendete er seine Facharztausbildungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie (mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie) und Psychotherapeutische Medizin. Seit 2001 ist Professor Fegert Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikum Ulms. Seine klinischen und wissenschaftlichen Schwerpunkte umfassen hierbei unter anderem den Kinderschutz, die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit frühen Kindheitsbelastungen, sowie Inklusion und Migration. Zudem ist Professor Fegert Mitglied in mehreren Vorständen, Gremien und Beiräten.