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Praxisbeispiel

Wie ein Kind aus Kamerun eine Kita zum Forschen mit Lehm brachte

Nur zwei Monate besuchte ein geflüchteter Junge die Kindertagesstätte "Zauberlinde" im brandenburgischen Golzow. Doch schon die kurze Begegnung mit dem zunächst Fremden schickte die 23 Kita-, Vorschul- und Hortkinder auf eine große Forscherreise. Kitaleiterin Grit Naß berichtet.

Grit Naß lacht hinter einem Globus
© Stiftung Kinder forschen
Grit Naß und ihr Team nutzten die Begegnung, um mit ihren Kindern um die Welt zu reisen

Grit Naß: "Wir haben 2015 ein Kind aus Kamerun bekommen, das aus Eisenhüttenstadt mit seinen Eltern kam. Die Eltern haben nur Französisch gesprochen. Ein anderes Elternteil aus der Kita konnte zum Glück gut Französisch und hat als Dolmetscher agiert. Die Kinder konnten damit erst überhaupt nicht umgehen, weil es das erste Mal war, dass sie ein Kind mit dunkler Hautfarbe gesehen haben, das zudem ihre Sprache nicht sprach. Hier auf dem Dorf in einer kleinen Kita kennen sich ja sonst alle.

Wir haben mit den Kindern aus Kita und Hort darüber gesprochen und ihnen gesagt, dass der Junge keine gute Zeit hinter sich hat. Ein erster Moment der Annäherung kam, als wir in der Küche zum Essen zusammen 'Bruder Jakob' gesungen haben. Auf einmal fing der Junge an, auf Französisch mitzusingen. Das war sehr ergreifend und für uns als Team eigentlich der Anstoß, das wir gesagt haben: Wir müssen aus dieser Situation etwas machen. Daraufhin haben wir mit den Kindern gesprochen und Fragen gesammelt, die sie schon hatten. Und so sind wir darauf gekommen sie zu fragen, ob sie interessiert wären, mit uns auf eine Weltreise zu gehen, um ihn und das Land, aus dem er kommt, kennenzulernen.

Rund um die Welt

Die Kita ist ein rotes Backsteingebäude, in dessen Hof eine große Linde steht
© Stiftung Kinder forschen
Die Kita "Zauberlinde" in Golzow bei Eberswalde

Das Motto hieß zuerst 'Interkultur – Rund um die Welt' und wir haben es groß aufgezogen. Wir haben mit den Kontinenten angefangen, sind dann in einzelne Länder gegangen und dann am Ende in Zentralafrika und Kamerun gelandet. Dazu hatten wir eine große Weltkarte an der Wand und einen Globus. Jede Kollegin hat einen Kontinent kurz vorgestellt. Die Infos dazu haben wir uns aus dem Internet geholt. Wir haben den Kindern Sitten und Bräuche gezeigt, Lieder gelernt und darüber gesprochen, was in anderen Gegenden der Welt gegessen wird. Weil zufällig die Tante eines Kindes zu Besuch war, die sonst in Honduras lebt, kam sie vorbei und hat Honduras vorgestellt. Auch das Thema Hautfarbe haben wir angesprochen: Warum haben manche Menschen dunklere Haut? Was ist Melanin und welchen Zweck hat es?

Als wir in Kamerun angekommen waren, sind wir durch Zufall auf die Lehmhütten gestoßen. In einer Reihe von alten Büchern, die wir aus der Bücherei bekommen hatten, ging es um Kinder aus aller Welt. Einige hatten auch dunkle Haut. Am besten hat den Kindern 'Fernando – der Junge von der Bananenplantage' gefallen. Der lebt im Buch zwar in Ecuador und nicht in Kamerun, aber wir konnten anhand der Bilder viel davon verdeutlichen, wie manche Menschen am Äquator leben und dass sie zum Beispiel in Lehmhütten schlafen. Unser Junge hat bestätigt, dass er solche Bilder kennt.

Wir bauen eine eigene Hütte

Ein Haubenförmiges Weingeflecht steht auf einem Sportkasten
© Kita Zauberlinde
Das Weingeflecht diente als Grundlage für das Lehmhütten-Modell

So kamen wir auf die Idee zu sagen: Wir bauen eine Lehmhütte. Die älteren Dorfbewohner haben uns erzählt, dass hier jedes Dorf eigentlich Lehmvorkommen hat und früher viel mit Lehm gebaut wurde. Wir haben tatsächlich ein Vorkommen gefunden und uns gefragt: Woraus besteht Lehm? Wie kann man ihn zerkleinern? Können wir selbst Lehm herstellen? Der Junge war da leider schon nicht mehr in der Kita, aber wir haben den Bezug immer wieder hergestellt.

So haben wir dann schließlich eine Hütte gebaut. Wir kamen auf die Idee, dass man ein Weingeflecht bauen könnte wie ein Zelt und Lehmbrote selbst herstellt. Erst haben die Kinder den Lehm hart werden lassen und wollten dann damit bauen, mussten dann aber feststellen, dass es nicht funktioniert. Also haben wir es noch einmal versucht und dann den noch feuchten Lehm wie Knete geformt. Und dann hatten wir das Modell einer kleinen Hütte, die auch einen Sommer gehalten hat.

Interkulturelle Themen bleiben durch unsere 'Kinderkonferenzen' lebendig, die wir mit den Hortkindern alle zwei bis drei Monate machen. Dort sprechen wir auch oft über die Nachrichten und es kommen Themen aus verschiedenen Ländern vor."