Andere Länder, andere Gesten:
Beschwichtigen und Schadenfreude
In der Reihe "Andere Länder, andere Gesten" stellen wir Handzeichen aus anderen Ländern und ihre Bedeutungen vor, damit es nicht zu Missverständnissen kommt.

Hätten Sie gewusst, dass ein Kind Ihnen nicht etwa einen "Vogel" zeigt, wenn es sich an die Stirn tippt, sondern vielmehr sagt: "Ich denke nach"? In der zweiten Folge zeigen uns Mädchen und Jungen aus der Willkommensklasse der Berliner "Grundschule am Mohnweg" zwei weitere wichtige Handzeichen aus Ländern, in denen Arabisch gesprochen wird.
1. Die Hände ausstrecken mit den Handflächen nach unten: "Ruhig, langsam"
Bei den beiden folgenden, weit verbreiteten Gesten gibt es einen kleinen, aber feinen Unterschied in der Ausführung:
Wenn eine Sprecherin oder ein Sprecher die flachen Hände weit von sich streckt und die Handflächen nach unten richtet, möchte er oder sie ausdrücken, dass sein Gegenüber ruhig bleiben oder langsam machen soll. Die Sprecherin oder der Sprecher drückt symbolisch die Äußerungen des Gesprächspartners nach unten.
Beide Hände ausstrecken mit den Handflächen nach vorne: "Stopp!"
Wenn die sprechende Person die Handflächen allerdings vertikal von sich streckt, bedeutet die Geste "Stopp!". Die Sprecherin oder der Sprecher will unliebsame Vorschläge oder Argumente abweisen und von sich fernhalten, sie oder er schiebt die Redebeiträge symbolisch weg. Die Geste ist abgeleitet von der Handlung des Weghaltens von Objekten, wie beispielsweise eine Tür, die einem fast ins Gesicht schlägt.
2. Mit der Faust in die flache Hand hauen: "Schadenfreude" (sich über jemanden lustig machen)
Zu dieser Geste gibt es keine Entsprechung im Deutschen: Die Sprecherin oder der Sprecher haut mit der geballten Faust in die flache Hand und streckt seine Hände in Richtung des "Empfängers" seines Spotts aus. Er oder sie macht sich über einen Nachteil lustig, den der oder die Andere erleidet.
Um uns diese Geste zu erklären, haben die Kinder aus der Willkommensklasse der "Schule am Mohnweg" ein Beispiel aus dem Schulalltag illustriert: Sie machen sich über die Mitschülerinnen oder Mitschüler lustig, die keinen Stift zum Unterricht mitgebracht haben.
Vorsicht!
Einige Handzeichen, die wir vollkommen selbstverständlich verwenden, haben in anderen Ländern eine ganz andere Bedeutung. Hier kann es zu unbeabsichtigten Missverständnissen kommen. Nachfolgend finden Sie zwei Beispiele:

Daumen hoch!
In Deutschland benutzen wir diese Geste als Ausdruck von Zustimmung oder um zu zeigen, dass wir etwas "Gut" oder "Toll" finden. Mit dieser Bedeutung benutzen Sie die Geste vielleicht auch, um Kinder zu loben.
Hier ist große Vorsicht geboten: In arabischsprachigen Ländern und Kulturen, aber auch in anderen Ländern, stellt der erhobene Daumen ein Phallussymbol dar und ist eine schwere Beleidigung. In der Türkei gilt die Geste als Aufforderungssignal unter Homosexuellen.
Da diese Geste große Ähnlichkeit mit dem "Tramperdaumen" aufweist, winken Anhalter z.B. in kulturellen Kreisen, wo die beleidigende Daumengeste verbreitet ist, mit der flachen Hand.

Leisefuchs
Viele von Ihnen kennen den "Leisefuchs" aus dem Alltag in der Kita oder Grundschule : Steigt der Lärmpegel, streckt die pädagogische Fach- oder Lehrkraft Zeigefinger und kleinen Finger nach oben, um die Ohren eines Fuchses anzudeuten, und presst Mittelfinger und Ringfinger gegen den Daumen, um das Maul eines Fuchses zu imitieren. Der "Leisefuchs" spitzt seine Ohren und hält sein Maul geschlossen, die Kinder sollen es machen wie er: Aufmerksam zuhören und nicht mehr sprechen.
Diese markante Geste ist aber auch das Erkennungszeichen der umgangssprachlich als "Graue Wölfe" ("Bozkurtlar") bezeichneten Anhänger der rechtsextremen türkischen Partei der Nationalistischen Bewegung (Milliyetçi Hareket Partisi): Daumen und Finger des rechten ausgestreckten Arms formen den Kopf eines Wolfes.
Als Feindbilder sehen die "Grauen Wölfe" – neben Juden, Christen, Armeniern, Griechen, Israel, der EU und den USA – vor allem Kurden. Die Grauen Wölfe verbreiten auf einschlägigen Internetseiten und bei Veranstaltungen nationalistisches und rassistisches Gedankengut, es kommt immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und Übergriffen auf Andersdenkende. Für kurdische Mädchen und Jungen, aber auch für Kinder mit türkischen Wurzeln, kann der Einsatz des "Leisefuchs" in der Kitagruppe befremdlich, im schlimmsten Fall sogar verstörend wirken.
Quelle: Verfassungsschutzbericht 2015
Info
Wir danken den Mädchen und Jungen der Willkommensklasse der "Grundschule am Mohnweg" und Frau Dr. Silva Ladewig, Professurvertretung am Lehrstuhl für Sprachgebrauch und multimodale Kommunikation an der Europa-Universität Viadrina, für die Unterstützung.