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Praxisbeispiel

Integration von geflüchteten Kindern im ländlichen Raum

Kitas im ländlichen Raum stehen beim Thema Integration vor anderen Herausforderungen als in der Stadt. Kitaleiterin Katja Brüggemann aus Sachsen erzählt von Komplikationen mit Bussen, fehlender Anbindung und der Stärke von regionalen Netzwerken.

Frontalansicht der Kita Striegistaler Spatzennest in Pappendorf in Mittelsachsen
© Stiftung Kinder forschen
Die Kita Striegistaler Spatzennest in Pappendorf in Mittelsachsen

Die Kita

  •     Kindertagesstätte Striegistaler Spatzennest
  •     Ansprechpartnerin: Katja Brüggemann
  •     Ort: Pappendorf (Sachsen)
  •     Kinder: 157 Plätze; 4 Kinder mit Fluchthintergrund

Was ist aktuell die größte Herausforderung in der Kita Striegistaler Spatzennest?

Katja Brüggemann: "In Bezug auf die geflüchteten Kinder gibt es momentan keine Herausforderungen mehr. Da sind wir in den letzten Jahren sehr an unseren Aufgaben gewachsen. Aber natürlich sind die Kinder, die jetzt da sind, auch schon etwas länger da."

War das mal anders?

Kitaleiterin Katja Brüggemann vor einer bunten Wand
© Stiftung Kinder forschen
Kitaleiterin Katja Brüggemann

K. B.: "Ja. Wir haben als Kita erst im August 2013 eröffnet. Im Nachbarort gab es eine kleinere Kita mit rund 50 Plätzen, die in unserer Kita aufgegangen ist. Da war dann natürlich noch viel Platz. So konnten wir die Kinder aus dem nahe gelegenen Flüchtlingsheim aufnehmen. Es kamen immer mehrere Kinder gleichzeitig in jede Gruppe. Ein halbes Jahr lang war es ganz schlimm. Da hatten wir immer neue Kinder, die drei Wochen blieben, und dann kamen die nächsten. Bis wir dann gesagt haben: Stopp, das funktioniert so nicht. Das macht ja auch etwas mit einer Gruppe, egal, wo die Kinder herkommen.

Es gab kein Gruppengefüge. Außerdem wurden die Kinder aus dem Flüchtlingsheim mit einem Fahrer gebracht. Weil der Bus zu klein war, hat eine Mutter mehrere Kinder hingebracht und abgeholt. Es ist schon für ein deutsches Kind nicht einfach, ohne Mutter und Vater in der neuen Umgebung eingewöhnt zu werden. Und für ein Kind, das eine weite Reise hinter sich hat, viel erlebt hat und dann in einer fremden Umgebung abgegeben wird, ist das sicherlich noch einmal um einiges schwerer."

Wie gestaltet sich die Eingewöhnungszeit?

K. B.: "Es hat keine Eingewöhnung stattgefunden. Die Kinder sind mit dem Bus des Flüchtlingsheims ohne ihre Eltern gekommen und dann von 8 Uhr bis 14 Uhr geblieben, da sie zeitlich an die Fahrtzeiten des Busses gebunden waren. Das war teilweise sehr hart und eine große Herausforderung für die Kinder, für die Erzieherinnen und Erzieher und für die Gruppe an sich."

Wie ging es dann weiter?

K. B.: "In Zeiten der größten Not hat uns dann Axel Möller kontaktiert, der das Projekt WillkommensKITAs in Sachsen geleitet hat. Er hat gefragt, ob wir Interesse hätten, uns darauf zu bewerben."

Wie wurden die Kitas für das Projekt WillkommensKITAs Sachsen ausgewählt?

K. B.: "Es wurden Kitas im ländlichen Raum gewählt, die auch eine gewisse Anzahl an geflüchteten Kindern haben. Zur damaligen Zeit hatten wir rund 20 Flüchtlingskinder."

Glauben Sie, dass sich die Herausforderungen von Kitas im ländlichen Raum stark unterscheiden von denen im städtischen Raum?

K. B.: "Ich denke, die Anbindungen sind vielleicht anders, an Familienzentren, an Dolmetscherdienste. In kleinen Städten ist der Unterschied vielleicht nicht so groß, aber in Großstädten ist man schon anders aufgestellt, glaube ich. Wir waren hier immer für uns. Ich wusste nicht, welche Kita in der Umgebung möglicherweise ähnliche Themen hat, so dass man sich hätte austauschen können. Zu Beginn des Projekts war die Problemlage für uns eine ganz andere. Es gibt viele Situationen, die wir heute nicht mehr als Problem sehen.

Zu Beginn war die Problemlage eine ganz andere.

Zum Beispiel haben wir immer gedacht: Es ist wichtig, dass die Kinder Deutsch sprechen und dass sie uns verstehen können. Die Sprachbarriere war für uns eine der größten Barrieren. Im Laufe der letzten Jahre hat sich herausgestellt, dass die Sprache kein großes Problem ist. Wir wissen heute, dass die Kinder unheimlich schnell Deutsch lernen. Aber am Anfang hatten wir unseren Fokus sehr stark auf der Sprachbarriere und sehr wenig links und rechts. Wir waren anfangs überfordert, das muss ich ehrlich zugeben."

Wie konnte das Programm WillkommensKITAs Sachsen helfen?

K. B.: "Uns hat sehr geholfen, dass wir einen Coach an die Seite gestellt bekommen haben. Mit ihm konnten wir schwierige Situationen besprechen, und er stand uns mit Rat und Tat zur Seite. Diese Begleitung war für uns die größte Hilfe."

Ein wichtiges Thema der WillkommensKITAs Sachsen ist der Netzwerkaufbau. Hat Ihnen das geholfen?

In zwei alten Gummistiefeln sind Blumen gepflanzt
© Stiftung Kinder forschen
Die Kita Striegistaler Spatzennest ist von viel Grün umgeben

K. B.: "Ein Netzwerk, das hatten wir früher nicht. Wir hatten natürlich Kontakt zu unserem Träger. Aber wer sind denn meine Ansprechpartner in Bezug auf die Integration? Wo kann ich mir Hilfe holen? Wo liegen die Aufgaben der Sozialarbeiterin des Landkreises, die auch das Heim betreut? Ich wusste nicht, wo Ansprechpartner zu finden sind, geschweige denn, wie sie heißen. Jetzt weiß ich, wen ich anrufen kann, wenn es doch mal Probleme gibt. Ein Netzwerk zu haben ist eine sehr große Hilfe."

Wie wird heute die Eingewöhnung für geflüchtete Kinder gestaltet?

K. B.: "Das Projekt WillkommensKITAs hat für und mit uns ein Gespräch mit dem Träger, mit dem Flüchtlingsheim der Integrationsbeauftragten vom Landratsamt moderiert. Wir haben uns an einen Tisch gesetzt und die Probleme angesprochen. Wir konnten dabei klären, dass wir das Ankommen der Kinder in der Kita staffeln. Jetzt kommt erst ein Kind, und das nächste kommt erst, wenn das erste eingewöhnt ist. Das war der erste wichtige Schritt. Der zweite Schritt war, dass wir gesagt haben: Wenn Eingewöhnung, dann nur mit einem Elternteil. Bei uns fährt auch ein normaler Linienbus und mit dem fahren die Eltern jetzt gemeinsam mit den Kind zurück. Seitdem wir es so machen, hat sich die Situation sehr entspannt."

WillkommensKITAs

Das Modellprogramm "WillkommensKITAs" der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung hat wichtige Erkenntnisse aus dem Projekt in der Broschüre "Wege zur WillkommensKITA" gebündelt.