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Interview

Tipps von der Medienpädagogin zur Verarbeitung von Krieg und Gewalt

Es können die Nachrichten sein, Bilder in der Zeitung oder auch Gespräche zwischen Erwachsenen – Kinder hören von Krieg und sehen Bilder von Verletzten nach Terroranschlägen. Wie kann ich als Erwachsener reagieren? Wie gehe ich damit um, wenn ich merke, dass das Kind Angst hat? Und was ist mit Kindern, die solche Situationen vielleicht selbst erlebt haben? Die Medienpädagogin Kristin Langer gibt Antworten und Tipps.

Eine Erzieherin liest gemeinsam mit zwei Kindern ein Buch
© Stiftung Kinder forschen
Für die Kommunikation eignen sich vor allem Aktionen, bei denen Kinder schöne Erfahrungen machen.

Über die Medienpädagogin

Kristin Langer arbeitet als freie Dozentin in der Erwachsenen- und Lehrerfortbildung. Sie ist Referentin für die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen und ist für das Deutsche Kinder und Jugendfilmzentrum tätig. Für die Ratgeber-Website Schau Hin! arbeitet sie als Mediencoach.

Wie sollte eine pädagogische Fachkraft reagieren, wenn die Kinder in der Kita oder der Grundschule anfangen, über Terror und Krieg zu sprechen? Sollte sie es vielleicht sogar selbst ansprechen?

Kristin Langer Portraitfoto
© © Schau Hin!
Kristin Langer

Kristin Langer: "Nein. Generell sollte ich als pädagogische Fachkraft das Thema erst ansprechen, wenn es bei den Kindern aktuell ist und sie von sich aus auf mich zukommen. Wir sollten den Kindern Dinge, die wir als Erwachsene als wichtig erachten, nicht überstülpen oder aufdrängen. Da in den Medien viel über Krieg und Terror berichtet wird, schnappen die Kinder die Thematik ohnehin oft von alleine auf."

Und dann kommen die Kinder in die Kita oder Grundschule und wollen darüber reden. Welche Tipps geben sie als Medienpädagogin für solche Fälle?

K. L.: "Im besten Fall kenne ich das Kind bereits und erkenne an den Verhaltensweisen des Kindes, wieviel ich ihm zumuten kann. Wenn Kinder von einem Terroranschlag mit Verletzten hören, haben sie zumindest eine Vorstellung davon, wie das ist, wenn man sich weh tut. Da hilft es, an den Erfahrungen des Kindes anzuknüpfen: 'Wie ist es, wenn sich jemand wehgetan hat? Was kann man dann tun? Was würdest du tun?'

Wichtig ist, dass man gerade bei jüngeren Kindern – da schließe ich auch noch das Grundschulalter mit ein – immer eine positive Perspektive mitgibt: 'Es gibt Menschen, die dafür sorgen, dass es den Opfern gut geht. Die Menschen haben einen Verband bekommen, vielleicht mussten sie ins Krankenhaus oder es kam ein Doktor, der ihnen geholfen hat.' Das ist für Kinder wichtig. Auf diese Weise können sie mit eventuell aufkommenden Ängsten besser umgehen."

Sollte ich das Thema anders angehen, wenn es sich um geflüchtete Kinder handelt, die selbst Krieg und Terror erlebt haben?

K. L.: "Ich muss dann viel vorsichtiger vorgehen und in kleinen Schritten herausfinden: Wie sehr will ein Kind darüber reden und in welchen Punkten braucht es meine Unterstützung? Kinder aus Kriegs- und Terrorgebieten reagieren oft sehr viel intensiver auf Bilder oder Videos, die bestimmte Erinnerungen wach rufen oder Erlebnisse wiederaufleben lassen. Aber auch hier gilt: Jedes Kind geht ganz individuell mit den Erfahrungen und Erlebnissen um. Manche Kinder müssen sich das Erlebte einfach von der Seele reden. Dann muss ich möglicherweise gar nicht viel tun, sondern nur zuhören."

Was sollte ich tun, wenn ich merke, dass sich ein Kind dem Thema entzieht?

K. L.: "Dann ist es ihm zu viel. Das ist ein natürlicher Schutzmechanismus, den ich respektieren muss. Darüber darf ich persönlich nicht enttäuscht sein. Aber ich könnte versuchen, Brücken zu bauen und so signalisieren, dass das Kind nicht alleine ist mit seinen Erfahrungen und dass es O.K. ist, über das Erlebte zu sprechen. Das geht gut mit Hilfe von Büchern. Wenn ich eine Geschichte habe, in der ein Kind aus einem Land flieht, zum Beispiel aus Mexiko in die USA, dann habe ich als Kind die Möglichkeit, mich mit dieser Person aus der Distanz zu identifizieren. Ich kann über diese Person eine ähnliche Geschichte nacherleben und das Beschriebene mit meiner eigenen Lebenswelt verbinden. Wenn Kinder nicht sprechen möchten, können sie das Buch auch alleine anschauen und so ihre Erfahrungen oder ein für sie wichtiges Thema bearbeiten. Gut ist, wenn Erwachsene als Ansprechpartner in der Nähe sind."

Sie haben gerade Bilderbücher angesprochen. Welche Hilfsmittel oder Methoden gibt es darüber hinaus, um mit geflüchteten Kindern zu kommunizieren, die noch nicht so gut Deutsch sprechen?

K. L.: "Am besten sind Aktionen, bei denen Kinder schöne Erfahrungen machen. Ich kann zum Beispiel mit Kindern malen, um eine Atmosphäre von Sicherheit, Ruhe und Verlässlichkeit zu schaffen. Wenn ein Kind dann Bilder malt, die nur schwarz sind oder von dunklen Menschen dominiert werden, verarbeitet es dabei eventuell negative Erlebnisse oder Eindrücke. Irgendwann werden sich diese Bilder möglicherweise in andere Bilder mit anderen Farben verwandeln. Das kann aber mitunter einige Zeit brauchen. Auch Musik ist eine gute Möglichkeit, um auf der Gefühlsebene zu arbeiten oder ich kann gemeinsam mit Kindern etwas mit Knetmasse gestalten."

Welche Rolle habe ich als Lehrerin oder Lehrer? Wie unterscheidet sich meine Rolle von der der Eltern?

K. L.: "Lehrer sind vor allem Bildungs- und Wissensvermittler. Wenn zum Beispiel ein Erdbeben passiert ist, können sie verschiedenen Fragen nachgehen: In welchem Land ist das passiert? Wie leben die Menschen dort? Was kann das konkret bedeuten?

Vielleicht merke ich da bereits, dass ich den Eltern einen Hinweis geben muss, weil das Kind auffällig reagiert. Es ist dann die Aufgabe der Eltern, zu Hause eine Atmosphäre der Sicherheit zu schaffen und in einer ruhigen Situation über das Thema zu sprechen, damit das Kind daraus dann wieder ein Gefühl von Geborgenheit erfährt."

Medien-Tipps zum Thema Flucht, Krieg und Terror

Informationen zur Internet-Nutzung für Kinder auf schau-hin.info

 Literatur-Tipps