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Diskriminierung im Kindergarten – Umgang mit Kindern und Eltern

Im Kindergarten, in der Schule oder auf der Straße – Kinder mit Migrationserfahrung erleben im Alltag immer noch häufig Diskriminierung und Ablehnung. Wie kann man als pädagogische Fachkraft mit diskriminierenden Äußerungen oder Verhaltensweisen umgehen? Sollten die Eltern der Kinder einbezogen werden? Dr. Elisa Pfeiffer vom Universitätsklinikum Ulm gibt Tipps zum Umgang mit Diskriminierung.

© iStock/fizkes

Wie gehe ich damit um, wenn sich Kinder gegenüber anderen Kindern in der Kita in einer diskriminierenden Weise äußern oder verhalten?

Dr. Pfeiffer: Kinder mit Migrationshintergrund oder interkultureller Herkunft erleben leider viel häufiger Diskriminierung und Rassismus als wir denken. Dies geschieht überall im Alltag – im Kindergarten, der Schule, der Peer-Group oder im Verein. Wenn ein Kind aufgrund seiner Hautfarbe beim Spielen ausgeschlossen wird, dann lernt das Kind z.B. „Ich bin nicht gut. Mich mag keiner“. Das Kind kann sich durch diese negative Sicht über sich selbst in seiner sozialen Kompetenz und seiner Identität nicht so entwickeln, wie wir uns das wünschen würden. Pädagogischen Fachkräften kommt in solchen Situationen eine wichtige Rolle zu, da diese eingreifen und unterstützen sollen. Sie haben die Aufgabe zu vermitteln, dass wir alle gleich sind und dass keiner ausgeschlossen werden darf – jeder hat Stärken und Schwächen. Die Fachkraft kann direkt mit dem Kind, das sich diskriminierend verhalten hat, sprechen und fragen, wie es auf die Idee der diskriminierenden Äußerung oder Handlung gekommen ist. Und ob es weiß, was es bedeutet und wie sich das andere Kind dabei fühlen könnte. Mit dem betroffenen Kind sollte auch unbedingt direkt besprochen werden, dass es nicht in Ordnung ist, dass so mit ihm umgegangen wird. Die pädagogischen Fachkräfte können das betroffene Kind fragen wie es sich fühlt und ob sie Unterstützungsangebote durch die Fachkräfte wahrnehmen möchten. Zudem ist es hilfreich, im Team eine gemeinsame Haltung zu entwickeln und sich gegenseitig im Umgang zu stärken. Diskriminierendes Verhalten sollte nicht bagatellisiert und keinesfalls legitimiert werden. Es sollte in jedem Fall ernst genommen und unterbunden werden, denn für Betroffene ist es jedes Mal schlimm. Diskriminierende Erfahrungen sind jedes Mal kleine seelische Verletzungen, die die Kinder davontragen können.

Sollte ich Eltern von Kindern ansprechen, die andere diskriminieren?

Dr. Pfeiffer: Wenn ich merke, dass sich Kinder gegenüber anderen diskriminierend äußern, sollten auch die Eltern darauf angesprochen werden. Im Gespräch mit den Eltern können Sorgen geäußert und nachgefragt werden, ob die Eltern eine Idee haben woher das Verhalten kommen könnte. Die pädagogische Fachkraft sollte den Eltern mitteilen, dass der Kindergarten ein sicherer Ort sein soll, an dem diskriminierendes Verhalten unangebracht ist und es auch zu negativen Konsequenzen für ihr Kind führen kann. Wie auch bei Konsequenzen durch anderes Fehlverhalten, sollte über die Art der Konsequenz bei Diskriminierung aufgeklärt werden. Die Haltung gegenüber den Eltern sollte also zum einen sein, die eigenen Sorgen auszudrücken und das Verhalten verstehen zu wollen, aber auch klar zu sagen, dass es in der Einrichtung nicht akzeptiert wird.

Sollte ich die Eltern von Kindern ansprechen, die diskriminiert werden?

Dr. Pfeiffer: Es ist wichtig, auch auf die Eltern des Kindes, das Diskriminierung erlebt, zuzugehen. Die Kinder erzählen von den Erlebnissen auch zu Hause und die Eltern machen sich dann Sorgen um das eigene Kind. Da ist es wichtig, dass pädagogische Fachkräfte ihnen gegenüber offen sind und auch sagen, dass es leider passiert ist, dass das Kind z.B. ausgeschlossen wurde. Die Fachkraft sollte auch mitteilen, wie mit der Situation umgegangen wurde bzw. auch in Zukunft umgegangen wird. Also was z.B. unternommen wurde um das diskriminierende Verhalten zu unterbinden. Gemeinsam mit den Eltern des betroffenen Kindes kann erarbeitet werden, wie sie dem Kind helfen können damit umzugehen. Eltern sind Experten für ihre Kinder und haben meistens sehr gute Tipps, was dem Kind in diesen Situationen helfen kann.

Wie kann ich damit umgehen, wenn ich merke, dass Eltern selbst extrem politische und diskriminierende Ansichten haben?

Dr. Pfeiffer: Der Umgang mit diesen Eltern ist ähnlich wie auch bei Kindern, die sich diskriminierend verhalten. Auch gegenüber Eltern, die extreme politische Ansichten haben oder diskriminierende Äußerungen tätigen, muss eine Null-Toleranz-Haltung vermittelt werden. Das kann in Einzelgesprächen sein oder auch im Rahmen von Elternabenden. Es sollte klar kommuniziert werden, dass die Einrichtung ein sicherer Ort für alle Kinder sein soll, so dass sich alle gut entwickeln können. Auch hier können Sorgen darüber geäußert werden, was es für die Einrichtung und vor allem auch für die betroffenen Kinder bedeutet, wenn Eltern diskriminierende Äußerungen oder Handlungen tätigen. Eltern sind Vorbild für ihre Kinder, weshalb ihnen hier eine wichtige Rolle zukommt.

Was kann ich präventiv gegen Diskriminierung tun?

Dr. Pfeiffer: Eine klare Grundhaltung gegen Diskriminierung stellt auch präventiv die wichtigste Basis dar. Um Diskriminierung vorzubeugen sollte das Thema nicht tabuisiert, sondern offen darüber kommuniziert werden – im Team, aber auch mit den Kindern. Es kann hilfreich sein, dass pädagogische Fachkräfte als eine Art Kulturvermittler fungieren, also dass sie Offenheit und Interesse bei den Kindern schaffen. Dabei können die Fachkräfte ganz kreativ werden und z.B. in der Gruppe das Herkunftsland von geflüchteten Kindern und die dortige Kindergartenstruktur kennenlernen. Auf diese Weise können Ähnlichkeiten zu der jetzigen Einrichtung in Deutschland herausgearbeitet werden und geflüchtete Kinder so dabei unterstützt werden, die Ressourcen nutzen zu können, die sie mitbringen. Gleichzeitig können bei den anderen Kindern Vorurteile abgebaut und Aufgeschlossenheit gestärkt werden.

Zur Person

Elisa Pfeiffer
© privat

Dr. M.Sc.-Psych. Elisa Pfeiffer ist leitende Psychologin an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm und leitet die Tagesklinik für Kinder. Gemeinsam mit Herrn Dr. Cedric Sachser führt sie außerdem eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe zu den Themen Trauma und Traumatherapie mit einem Schwerpunkt zu geflüchteten und fremduntergebrachten Kindern und Jugendlichen. Für ihre Arbeit im Forschungsprojekt „Mein Weg: Trauma-fokussierte Gruppenintervention für junge Flüchtlinge“ wurde sie 2020 mit dem Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung in der Sektion Sozialwissenschaften ausgezeichnet.